"Hier wird mit einer Zunge gesprochen"

Agapelsion Pflegeschule

Deutschland steht ein Umbruch bei der Pflege-Ausbildung bevor. Ab August 2020 gibt es kein dreigliedriges System mehr. Bisher werden Altenpfleger, Gesundheits- und Krankenpfleger sowie Kinderkrankenpfleger getrennt ausgebildet. Jeder hat sein eigenes Berufsbild. Das wird sich ab August 2020 ändern. Dann dürfen in Deutschland nämlich nur noch Pflegekräfte ausgebildet werden, die dann alle drei Bereiche abdecken. Um für dieses Vorhaben gerüstet zu sein, haben die Berufsbildenden Schulen (BBS, bisher Altenpfleger) und das Agaplesion-Klinikum (bisher Gesundheits- und Krankenpfleger) nun eine Kooperations-vereinbarung unterzeichnet. Beide wollen ihr jeweiliges Know-how zusammenlegen, um eine gute Ausbildung anbieten zu können. Die Reform des Pflege-berufegesetzes findet dabei vor allem mit Blcik auf den massiven Fachkräftemangel statt und wird vielerorts kritisch gesehen.

Bei der Vertragsunterzeichnung von BBS, Agaplesion-Pflegeschule und Landkreis das Gesetz zwar expliziert nicht bewerten, aber auch die dadurch enstehenden Schwierigkeiten kamen zur Sprache. So erklärt etwa Agaplesion-Schulleiter Dominik Janze, dass nun der Stoff aus drei Ausbildungen abgedeckt werden müsse. Allerdings in der gleichen Zeit, nämlich innerhalb von drei Jahren. Gerade bei der dadurch notwendigen Lernstoff-Verdichtung sei es wichtig, dass man frühzeitig und auf Augenhöhe einen Kooperationspartner gefunden habe. "Wir sind dabei mal wieder Vorreiter", unterstreicht Kreisdezernentin Katharina Augath. Derartige Vereinbarungen gebe es im Land bisher kaum - ein Mustervertrag werde erst später veröffentlicht. "Vielleicht nimmt man sich ja unseren zum Vorbild", sagt BBS Schulleiterin Lita Gooßen.

Eine weitere Schwierigkeit: Während man zwar Experten im Bereich Alten- und Krankenpflege vorhalte, gebe es im Landkreis bisher keine Ausbildungsmög-lichkeit für Kinderkrankenpfleger - damit auch keinen möglichen Kooperationspartner. Zwar werde, so Janzen, sämtliche Literatur umgestellt, sodass sie immer altersübergreifend den kindlichen, den erwachsenen, aber auch den alten Körper im Blick habe. Dennoch sei das eine Schwierigkeit in ganz Deutschland, die dann wohl nur mit Zusatzqualifikationen abgedeckt werden könnten. In der Ausbildung könne man wohl nur den Kontakt mit Kindern etwa über Einsätze in Krippen bewerkstelligen.

Ähnliche Modelle mit Zusatzqualifikationen sieht Klinikum-Geschäftsführerin Diana Fortmann auch bei anderen Fachbereichen auf die Pflegefachkräfte zukommen. In der Intensivpflege ist das schon der Fall, aber auch in Bereichen wie etwa der Geriatrie könne sie sich das Modell gut vorstellen. Denn die Herausforderung den Stoff von drei Ausbildungen im gleichen Zeitraum unter einen Hut zu kriegen, sei enorm, erklärt Janzen. Zusätzlich müssten auch noch allgemeinbildende Fächer wie Deutsch, Englisch oder Politik in den Stundenplan mit aufgenommen werden. "Und wir haben noch nicht mal eine Curriculum", erklärt Sabine Nolte, Leiterin der Altenpflegeausbildung bei den BBS in Rinteln. Alle Anwesenden begrüßten die gute Zusammenarbeit der beiden etablierten Schaumburger Institutionen. "Hier wird mit einer Zunge gesprochen", betonte Nolte.

Die große "Herausforderung" einer neuen Pflegeausbildung habe man früh erkannt und gemeinsam eine gute Lösung erarbeitet. Und bis zum Start des ersten Jahrgangs der Pflegefchkräfte ist noch mehr als ein Jahr Zeit. Im August 2019 startet zunächst der letzt getrennte Ausbildungs-Zug. Sowohl an den BBS in Rinteln als auch an der Agaplesion-Pflegeschule starten mehr als 30 Schüler ihre jeweilige Ausbildung. "Und zwar entgegen dem Trend", so Diana Fortmann. Gerade für das Agaplesion-Klinikum sei der Nachwuchs essenziell wichtig bei den Wachstumsplänen.

aus: Schaumburger Zeitung vom 20.06.2019

zurück