Es gibt nicht nur einen Weg zum Abi

FOS FOT2019 2020

Der Schulabschluss, der in unserer Gesellschaft aktuell am meisten angesehen ist, ist das Abitur. Dass der klassische Weg zum Abi jedoch nicht für jeden der richtige Weg ist, müssen viele junge Erwachsene oft durch schmerzvolle Erfahrungen lernen. Dass es ganz anders gehen kann, zeigt die Fachoberschule, die man zum Beispiel an den Berufsbildenden Schulen (BBS) in Rinteln besuchen kann. Dabei handelt es sich um eine Schulform, bei der Schülerinnen und Schüler in zwei Jahren ihre Fachhochschulreife erreichen können.  Dafür müssen sie den einfachen Sekundarabschluss I erreicht haben, also den Realschulabschluss. An der Fachoberschule können sie dann entweder die Richtung Technik oder Soziales einschlagen.

"Mein Schwachpunkt waren immer die Sprachen", erzählt zum Beispiel Tarik Kaptan. Er haben seinen erweiterten Sekundarabschluss I zwar geschafft, damit hätte der in die Oberstufe eines Gymnasiums wechseln können, doch er habe gemerkt, dass das nichts für ihn sei. Also ist er zur Fachoberschule gewechselt, und zwar mit der Ausrichtung Technik. Dort besucht er nun die elfte Klasse. In der Fachoberschule Technik werden die jungen Erwachsenen zur Fachhochschulreife geführt und gezielt auf ein Ingenieurstudium an einer Fachhochschule vorbereitet; auch das Studium an manchen Universitäten ist dann möglich. Die enge Verknüpfung von Theorie und Praxis steht im Kern der Fachoberschule. In der elften Klasse absolvieren die Schüler ein Jahr lang ein Praktikum an drei Tagen in der Woche. An den anderen zwei Wochentagen lernen sie die entsprechende Theorie an den Berufsbildenden Schulen. Die Schüler müssen daher ein einen einjährigen Praktikumsvertrag vorweisen, bevor sie die Fachoberschule beginnen. Die BBS Rinteln sind gern dabei behilflich, Kontakt zu den Betrieben herzustellen und die Schüler zu beraten. Darauf weist Gerd Becker hin, Bildungsgangleiter der Fachoberschule Technik. Wenn ein Bewerber eine abgeschlossene Berufsausbildung mitbringt, beginnt er gleich in der zwölften Klasse, in der die Schüler mehr allgemeinbildenden Unterricht bekommen. "Die Schüler werden hier auf das Niveau der Fachhochschule vorbereitet", erklärt Becker.

Während der elften Klasse kann man seinen Praktikumsplatz auch wechseln. Tarik Kaptan zum Beispiel war zuerst Praktikant in einem metallverarbeitenden Betrieb, doch da habe er sich nicht besonders wohlgefühlt. Also sei er in eine KFZ-Werkstatt gewechselt, und das sei die richtige Entscheidung gewesen. Jetzt überlegt er, ob er später in Richtung Produktdesign gehen wird. "Hier bekommt man einen genauen Einblick in die Berufe", erzählt Kaptan.

Auch Julian Stolz hat durch die Fachoberschule Technik seinen Weg gefunden. Er wird nach der elften Klasse eine Ausbildung zum Industriemechaniker beginnen, und zwar beim Pumpenhersteller Bornemann. Durch Praktika habe er ausreichend Erfahrung sammeln können. "Das ist die beste Bewerbung, die man sich wünschen kann", erzählt Stolz. Doch auch er habe zunächst lange an der Idee festgehalten, unbedingt das Abitur schaffen zu müssen. Der Wechsel zur Fachoberschule hingegen sei richtig gewesen, Theorie und Praxis seien eng miteinander verzahnt, hier gehe es um Berufe, bei denen man hinterher sehe, was man gemacht habe. In der Fachoberschule Technik lernt man Deutsch, Mathematik oder Englisch ebenso wie Pneumatik, Grundlagen des technischen Zeichens, Werkstoffkunde sowie Grundlagen der Elektrotechnik.

Wer hingegen geher einen sozialen Beruf ergreifen möchte, für den ist vielleicht die Fachoberschule mit Schwerpunkt Soziales das Richige. Dort lernt man Inhalte aus den Bereichen Sozialpädagogik, Erziehung, Entwicklung und Kultur. Auch dabei gilt das duale System, in dem sich Praktika und theoretischer Unterricht gegenseitig ergänzen. "Ich dachte immer, ich würde mal einen Bürojob machen", erzählt Arlinda Vrella, die jetzt die elfte Klasse besucht. Erst duch das Praktikum - zunächst beim Kinderschutzbund, dann in einer Krippe - habe sie gemerkt, dass der Umgang mit anderen Menschen ihr wirklich liege und große Freude bereite. "Das möchte ich auch in Zukunft machen", ist sie jetzt sicher. Bilal Kahled stimmt ihr zu: er will in Richtung Gesundheitswesen oder Soziale Arbeit gehen, das hätten ihm die Praktika in der Krippe und beim Kinderschutzbund gezeigt. Die Schülerinnen und Schüler schreiben hier zum Beispiel auch Facharbeiten oder denken sich soziale Projekte aus, beispielsweise, um einen Hospizverein zu unterstützen. Es gibt zahlreiche Beratungsangebote, Gruppen-Aktionen oder auch mal Klassenausflüge nach Hamburg. "Wir hoffen, dass unsere Schüler hier mit Selbstbewusstsein hinausgehen", sagt Philipp Held, Bildungsgangleiter der Fachoberschule Sozialpädagogik. "Unsere Aufgabe als Lehrkräfte ist es, die Entwicklung der Jugendlichen zu einem verantwortungsbewussten Erwachsenen anzustoßen und zu begleiten."

Kontakt: Die Anmeldung für das nächste Schuljahr ist auch weiterhin möglich. Interessierte können sich online auf www.bbs-rinteln.de sowie telefonisch unter der Rufnummer 05751 891390 erkundigen oder für die Fachoberschule anmelden.

aus: Schaumburger Zeitung vom 15.07.2020

 

 

zurück