"Ihr seht heute Abend toll aus!" Berufsbildende Schulen verabschieden Abiturjahrgang / Flüchtling schafft nach nur drei Jahren in Deutschland Abschluss

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"Ihr seht heute Abend toll aus!"
Berufsbildende Schulen verabschieden Abiturjahrgang / Flüchtling schafft nach nur drei Jahren in Deutschland Abschluss

Ein Fußball mit den Unterschriften aller Lehrer für Kebria Kiani Bakhtiari. Er schüttelt Hände, bedankt sich, lacht. Gut 300 Leute spenden ihm Applaus. Einige stehen von ihren Stühlen auf. In seinen Augen sieht man ein Leuchten. Kebria Kiani Bakhtiari hat den Ball dafür bekommen, dass er etwas geschafft hat, was für einige "ein Beispiel gelebter Integration" ist. Doch es ist mehr als das.

Vor drei Jahren saßen Kebria Kiani Bakhtiari und sein Flüchtlingshelfer im Büro von Herbert Habenicht, dem Leiter der Berufsbildenden Schulen Rinteln. Der junge Iraker sprach kein Wort Deutsch, wollte aber in die Oberstufe, um Abitur zu machen.

Beim Ernestinum hatte man ihn bereits abgelehnt. Auch an der BBS war man skeptisch, gab ihm jedoch die Chance. "Wir dachten, notfalls kann er die Elfte wiederholen", erinnert sich Habenicht. "Nach nur einem Jahr hatte er bessere Deutschklausuren als ich", lobt ihn Mitschüler Marius Schäfer in seiner Schülerrede.

Es ist Abiball und Schulentlassung im Baxmann-Zentrum in Hessisch Oldendorf. Für 53 Schülerinnen und Schüler enden drei Jahre berufliches Gymnasium. Sie alle haben es geschafft. Und das nicht schlecht.

Ganze fünf Mal gab es die Note 1 vor dem Komma, Jahrgangsbester ist Nils Bauer mit der Endnote 1,6. Aber das ist Nebensache. Was an diesem Abend zählt, ist die Freundschaft.

Aus fremden Menschen ist eine Gemeinschaft zusammengewachsen. Schulleiter Habenicht greift in seiner Rede das Motto des Jahrgangs auf: "Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor."

Was Goethe und sein Doktor Faust damit sagen wollten, war, dass selbst der größte Wissenschaftler nichts über das Leben gelernt hat, wenn er es nicht lebt. Kann das die Schule leisten? Nein, aber ihre Schüler.

Auf Studienfahrten und im Unterricht haben sie einander viel von sich preisgegeben. Lieben sind entstanden und zerbrochen, Freundschaftsanfragen und Spicker verteilt worden. Manche Freistunde war lehrreicher als der geregelte Unterricht.

Gemeinsam mit den DJs von Rock Circus heißt es nun noch ein Mal gemeinsam Party machen, sich noch mal bei allen bedanken und für einige sich verabschieden.

Manche gehen ein Jahr ins Ausland, andere ziehen für Arbeit oder Studium weit weg. In dieser Form werden sie sich nie wiedersehen. "An die Mädchen", Marius hält kurz inne, "Ihr seht heute Abend toll aus!"

Kebria Kiani Bakhtiari (v.l.), Abi-Ball-Organisatorin Lara Sophie Denz, der Jahrgangsbeste Nils Bauer und Klassensprecherin Secil Azamak werden nach vorne zum Foto gebeten.
Quelle: Schaumburger Zeitung

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