Motivation hier - Frustration da

Das Berufsvorbereitungsjahr ist gedacht für Schüler, die keinen Hauptschulabschluss oder keine Lehrstelle haben, aber noch schulpflichtig sind. Viele von diesen jungen Leuten an den BBS kommen mit den Anforderungen eines Erwachsenen-Alltags überhaupt nicht klar. "Wir müssen unser Unterrichtskonzept von Grund auf ändern", sagt Günter Potthast, der stellvertretende Schulleiter.
Die Sache sei die, dass ein großer Teil der Schüler weder Regeln noch Autorität respektiere und dazu kaum die Aufmerksamkeit aufbringe, dem Unterricht kontinuierlich zu folgen. "Die meisten gehen gar nicht mal so ungern in unsere Schule", so Potthast. "Da treffen sie ihre Kumpels, und prinzipiell mögen sie auch die Lehrer -wenn da nur nicht der blöde Unterricht wäre." Egal, ob Mathe oder das Lernen in den Werkstätten, sobald man sich um eine Angelegenheit etwas intensiver und mit Ausdauer bemühen müsse, breche alles zusammen.
Lehrerin Jutta Aden kann diese Sicht nur bestätigen. "Besonders deutlich sehe ich da, wenn ich Aufsicht habe in der Metall- oder der Holzwerkstatt", sagte sie. "Kaum blickt man weg, benehmen sich die Jugendlichen wie kleine Kinder, lassen ihre Aufgabe im Stich und machen Unsinn."
Ihr falle immer wieder der Unterschied zu den Schülern in den sogenannten "Sprint"-Klassen auf. Das sind Klassen mit jugendlichen Flüchtlingen, die ebenfalls darauf vorbereitet werden, eine Ausbildung antreten zu können. "Die sind so motiviert, dass man sie ruhig auch mal alleine lassen kann", so Aden. "Sie helfen sich gegenseitig, lernen wie verrückt Deutsch, und tun alles, ob eine Chance für die Zukunft zu haben."
Die jungen Deutschen dagegen scheinen zum großen Teil überhaupt keine Zukunftserwartungen zu hegen. "Ich weiß, dass ich nichts kann", dieser Satz falle leider oft. "Unser altes Konzept, die Schüler mit Praxis-Projekten bei der Stange zu halten, das funktioniert einfach nicht mehr", so Potthast. Währen die Sprint-Schüler eifrig an keinen Standuhren in der Metallwerkstatt arbeiten - bis die fertig sind, dauert es mehrere Wochen - Kommen die Schüler aus dem BVJ mit solchen Arbeiten kaum vom Fleck. Langfristiger angelegte Projekte führen bei ihnen deshalb selten zu echten Erfolgserlebnissen.
"Unser Plan steht darin, in anderen BBSen, an den es mit dem BVJ besser klappt, zu hospitieren und von ihren Projektideen zu lernen", kündigt Potthast an. "Wir selbst müssen dazulernen, wie man die Schüler so erreicht, das sie den Dreh rausbekommen und ihren Alltag in den Griff bekommen".
Die jungen Flüchtlinge in den Sprint-Klassen haben es, trotz ihrer großen Motivation, auch schwer, auch ihnen muss an noch besser weiterhelfen, sagt Potthast. Die Flüchtlinge brauchen viel mehr Zeit, um unabhängig und selbstständig leben zu können. "Eigentlich müssten sie drei oder sogar vier Jahre lang Vollzeit schulisch und im Wohnheim betreut werden", meint er. So lange würde es dauern, bis die Sprachkenntnisse gefestigt sind und bis die Traumata, die die meisten erlebt hätten, etwas beruhigt seien. "Es ist traurig, wenn junge Leute, die so gut durch die Sprint-Klassen gekommen sind, dann in der Lehre aufgeben. Oft sind sie außerdem damit überfordert, mit 18 in eine eigene Wohnung zu ziehen, ohne ein funktionierendes Netzwerk, das sie bei Krisen auffängt."
In der nahen Zukunft will die BBS noch stärker mit Betrieben vor Ort zusammenarbeiten und sie einladen, die Schüler vor Ort kennenzulernen, auch, um deren handwerkliche Fähigkeiten im Augenschein zu nehmen. "Was wir brauchen: Patenschaften für Flüchtlinge, Menschen, die wenigstens teilweise die verlorene Familie ersetzen."
Auch die BVJ-Schüler müssten eigentlich "Paten" haben. Und natürlich würde es helfen, mehr Lehrer einstellen zu könne. "Das Kultusministerium weiß um die Probleme", sagt Potthast. "Das ist ja an fast allen Schulen so." Doch selbst wenn Geld bereitgestellt würde, um weitere Pädagogen zu engagieren, so bleibe es schwierig, auf dem leer gefegten Markt geeignete Lehrer zu finden.
aus: Schaumburger Zeitung vom 27.11.2017